AUFTAKT:
FILMREIHE POSTMIGRANTISCHE AUDIOVISIONEN

Episode #1

Randgänge. Rastlos zwischen Sozialer Arbeit und Gangsterfilm

Seit geraumer Zeit entstehen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, im Kino und für Streamingportale immer mehr Gangsterserien und -filme: Rheingold, 4 Blocks, Dogs of Berlin, Hype, Asbest uvm. Sie stellen Produktionen dar, die mehr als den kommerziellen Erfolg des deutschsprachigen Gangsterfilms markieren; die Filme werden auch als Ausdruck postmigrantischen Empowerments gelesen, weil es oft auch Filme nicht über sondern mit Postmigrant:innen sind. Gleichzeitig stehen die Filme aufgrund ihrer rassialisierenden Dynamik auch in einer repräsentationspolitisch ambivalenten Situation da. Familienclans werden mit krimineller Kultur gleichgesetzt, rassistisches Diskurswissen gegenüber s.g. ghettoisierten Stadteilen (Berlin Neukölln, Köln Porz usw.) wird stabilisiert: Themenfelder, die für die soziale Arbeit hochrelevant sind.

Der Auftakt der Filmreihe „Postmigrantische Audiovisionen“ aktualisiert ERSTENS das Mediengedächtnis zu den Gangsterfilmen, indem er einen der ästhetisch einflussreichsten Produktionen zeigt:
KANAK ATTACK (2000) von Lars Becker, der auf dem Roman „Abschaum“ von Feridun Zaimoglu basiert – gespielt von LUK PIYES in der Hauptrolle.
ZWEITENS präsentiert die Filmreihe LUK PIYES‘ Debütfilm IN MY BLOOD (TR, 2009, OmU) über einen rastlosen Underdog. Im Anschlussgespräch geht es um das bewegte Leben des Regisseurs, das zwischen Sozialer Arbeit, Filmkulturarbeit und den politischen Widrigkeiten des Filmsystems auch 20 Jahre nach „Kanak Attack“ unnachgiebig die gesellschaftsproduktive Verbindung im Genre des Gangsterfilms sucht.

Allgemein zur Filmreihe:

Postmigrantische Audiovisionen sind Utopien einer Migrationsgesellschaft, einer Gesellschaft, die existiert. Der Wissenschaftshistoriker Michel Foucault hat solche realisierten Utopien mit dem Begriff der Heterotopien bezeichnet: den anderen Orten. Diesen Heterotopien, oder auch „Transtopien“ (Yildiz 2021), geht die gleichnamige Filmreihe nach. Die Filmreihe fragt so nach den Historien und Genealogien sowie dem Diskursrandständigen, das filmisch-ästhetische Entwürfe im deutschsprachigen Film abwerfen. Im Zentrum stehen so Filme, die sich entlang von diskursreißerischen Themenfeldern verorten lassen: rund um Migration, Rassismus, Islam, Antisemitismus, Rechtsextremismus. Doch sie erschöpfen sich nicht im Diskursiven. Vielmehr zieht jeder Film immer wieder neue Risse in unser Denken, Fühlen und Empfinden ein: in stabilisierte, machtvolle Hegemonien wie es die Integrationsdispositive oder das Rassistische ist; und manchmal reproduzieren die Filme jene Dynamiken durch ihre ästhetischen komplex fungierenden Entfaltungen.
Präsentiert werden Filme zu Themenkomplexen des postmigrantischen Zusammenlebens, aus einer Perspektive, die die Filme nicht von verknöcherten Diskursen heraus befragen will („Postmigrantische Visionen“, Hill und Yildiz 2018); vielmehr werden die Filme selbst als Gelegenheit betrachtet, andere, postmigrantische Perspektiven zu entwickeln: postmigrantische Audiovisionen eben. Gäste aus Wissenschaft, Film, Bildung und Politik werden das verhandelte Themenspektrum gemeinsam mit den Zuschauer:innen in Anschlussgesprächen an die Filmscreenings ausloten. Denn: Auch wenn diese Heterotopien in den Filmen existent gemacht werden, kann erst das Wahrnehmen und Sprechen über sie das Utopische in ihnen hervorkehren.

Die Filmreihe wird veranstaltet vom Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein und entsteht in Kooperation mit dem „Forum Postmigrantische Perspektiven“.

Konzept und Kontakt: Prof. Dr. Ömer Alkin, oemer.alkin@hs-niederrhein.de